Wieder einmal war die Auslegung eines Testaments Grund für eine gerichtliche Auseinandersetzung. In dem Fall ging es den Erben um die Frage, ob das gemeinschaftliche Testament der Eltern eine Vor- und Nacherbschaft beinhaltete. Darauf musste das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) eine Antwort finden.
Erblasser haben die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen die Regelung ihres Nachlasses einem ausländischen Recht zu unterwerfen. Doch aufgepasst! Sobald dieses Recht gegen deutsches Recht „von Verfassungsrang“ verstößt, kommt ein Gericht nicht umhin, so zu verfahren wie das Oberlandesgericht Köln (OLG) im folgenden Fall.
Der Erblasser – ein britischer Staatsangehöriger -, der bereits seit mehreren Jahren in Deutschland lebte, hatte in seinem Testament bestimmt, dass die Erbfolge nach britischem Recht zu erfolgen habe. Nach dem Tod des Erblassers verlangte der nach deutschem Rechtsverständnis berufene Pflichtteilsberechtigte von dem Erben Auskunft über den Umfang des Nachlasses. Das Landgericht hat diesen Auskunftsanspruch mit der Begründung verneint, dass die Rechtswahl des Erblassers zulässig gewesen sei und das britische Recht einen Pflichtteilsanspruch und damit auch einen Auskunftsanspruch zur Ermittlung des Pflichtteils nicht kenne.
Dieser Entscheidung hat sich das OLG jedoch nicht angeschlossen und den Erben zur Auskunft verpflichtet. Zunächst bestätigte das Gericht, dass die Voraussetzungen für eine Rechtswahl britischen Rechts grundsätzlich vorlagen. Es entspricht in der Folge auch den Regeln des internationalen Rechts, dass die Normen des anzuwendenden ausländischen Rechts in Deutschland anerkannt werden. Eine Ausnahme besteht aber dann, wenn diese (ausländischen) Regelungen gegen deutsches Recht von Verfassungsrang verstoßen (sogenannter „ordre public“). In einem solchen Fall erfolgt eine Rückverweisung in das deutsche Recht. Einen derartigen Verstoß hat das OLG im Ergebnis unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Erbrechtsgarantie angenommen.
Zu den Kernelementen dieser Erbrechtsgarantie gehört, dass es eine grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige Mindestbeteiligung von Kindern am Nachlass der Eltern geben müsse. Das britische Recht sieht eine solche Mindestbeteiligung jedoch nicht vor. Da nach der Entscheidung des OLG die Rechtswahl britischen Rechts in dieser Hinsicht nicht zur Geltung kam, war deutsches Erbrecht anzuwenden. Demnach war der Erbe zur Auskunft gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten verpflichtet.
Hinweis: Treffen deutsche und internationale Rechtsnormen aufeinander, führt dies nicht zwangsläufig zu einer Anwendung deutschen Rechts. Grundsätzlich werden Normen anderer Länder auch in Deutschland anerkannt und angewendet. Deutsches Recht findet bei einer solchen Kollision von Rechtsnormen aber Anwendung, sobald das ausländische Recht gegen deutsches Verfassungsrecht verstößt.
Im folgenden Erbschaftsfall waren Erben der Meinung, dass ihre verstorbene Mutter in ihrer Funktion als Vorerbin einem Irrtum unterlegen sei, und baten das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) um Hilfe. Dieses prüfte das Testament und kam schließlich zu einem eindeutigen Ergebnis.
Der Erblasser hatte im Jahr 2013 ein handschriftliches Testament erstellt und verfügt, dass seine Ehefrau, mit der er in zweiter Ehe zusammenlebte, sowohl die Wohnung einschließlich der Einrichtung erhalten als auch über sein gesamtes Vermögen verfügen solle. Nach dem Tod seiner Ehefrau solle seine Tochter aus erster Ehe schließlich alles erhalten, was noch geblieben sei. Nach dem Tod des Erblassers beantragte die Ehefrau einen Erbschein als Alleinerbin. Doch vor Erteilung eines Erbscheins verstarb auch sie. Deren Kinder fochten daraufhin die Annahme der Vorerbschaft an und schlugen zugleich die Erbschaft wegen der Beschränkungen durch die Nacherbschaft als Erben für ihre Mutter aus. Sie beriefen sich darauf, dass aus der testamentarischen Anordnung eine Vor- und Nacherbschaft nicht erkennbar gewesen sei und sich die Mutter daher in einem beachtlichen Rechtsirrtum hinsichtlich ihrer eigenen Erbenstellung befunden habe. Die Kinder selbst hätten erst nach dem Tod der Mutter durch eine Verfügung des Nachlassgerichts davon erfahren, dass hier eine Vor- und Nacherbschaft angeordnet worden sein könnte.
Das OLG kam jedoch zu der eindeutigen Einschätzung, dass die Verfügung des Erblassers in seinem Testament durchaus die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft beinhaltete. Eine solche ist immer dann anzunehmen, wenn der Nachlass nach einem Erben an eine bestimmte Person gehen soll. Ein maßgebliches Kriterium zur Auslegung ist dabei, ob der Erblasser bei Einsetzung mehrerer Personen zumindest einen zweimaligen Anfall der Erbschaft herbeiführen wollte – zeitlich nacheinander versetzt. Erforderlich ist dabei nicht, dass im zweiten Erbfall noch ein wirtschaftlich werthaltiger Nachlass existiert.
Hinweis: Es ist möglich, dass gesetzliche Erben des Vorerben nach Eintritt des Nacherbfalls noch den Anfall der Vorerbschaft an ihren Rechtsvorgänger (hier die Mutter) ausschlagen – innerhalb der Ausschlagungsfrist von sechs Wochen ab Kenntnis von der Erbenstellung. Das OLG war an diesem Punkt der Ansicht, dass hier kein beachtlicher Irrtum vorgelegen habe, da die Anordnungen des Erblassers objektiv betrachtet derart eindeutig waren, dass sich auch die Ehefrau über die sich ergebenden Folgen klar gewesen sein musste. Insoweit konnten sich die Kinder nicht darauf berufen, erst spät von der Vor- und Nacherbschaft Kenntnis erhalten zu haben.
Thema: | Erbrecht |
Immer wieder ist es an den Gerichten, missverständliche Testamentsformulierungen so zu interpretieren, wie es der oder die Erblasser einst mutmaßlich intendiert hatten. Ein recht einleuchtendes Beispiel einer solchen Auslegung lieferte das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG).
Der 1926 geborene Erblasser und seine 1930 geborene Ehefrau hatten keine gemeinsamen Kinder und auch jeder für sich keine eigenen Abkömmlinge. Sie haben im Jahr 2011 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Darüber hinaus haben sie verfügt: „Nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Ehegatten sollen unsere gemeinsamen Abkömmlinge zu gleichen Teilen die Erben sein.“ Nach dem Tod des Erblassers beantragten die Erben zweiter Ordnung (Abkömmlinge der Eltern des Erblassers) einen gemeinschaftlichen Erbschein mit der Begründung, dass das Testament so auszulegen sei, dass die jeweiligen gesetzlichen Erben Schlusserben zu gleichen Teilen sein sollten.
Dieser Auslegung konnte sich das OLG jedoch nicht anschließen. Für eine Auslegung, dass die Eheleute die Begriffe „Abkömmlinge“ und „Verwandte“ gleich verwendet haben, gab es keinerlei Anhaltspunkte. Vor allem die Verwendung des Begriffs „gemeinsam“ spricht dagegen, dass hiermit die jeweiligen Verwandten der Eheleute gemeint gewesen sein könnten. Laienhaft sei es den Erblassern vermutlich nur darauf angekommen, sich wechselseitig zu Alleinerben einzusetzen.
Hinweis: Missverständliche Regelungen sollten bei der Abfassung einer Verfügung unter allen Umständen vermieden werden. Nutzen Sie daher rechtzeitig die Expertise erbrechtlicher Fachleute, bevor die Verteilung Ihres Erbes von der Auslegung der Gerichte abhängt.
Thema: | Erbrecht |
Das Oberlandesgericht München (OLG) hatte sich mit der Frage eines wirksamen Widerrufs eines Testaments durch Vernichtung der Testamentsurkunde zu befassen. Hier ging es darum, ob der Erblasser lediglich ein Testament sowie eine handschriftliche Abschrift dieser letztwilligen Verfügung erstellt habe oder ob es sich um zwei separate Originaltestamente handelte.
Der spätere Erblasser hatte zu Lebzeiten am selben Tag zwei Schriftstücke erstellt, die beide mit den Worten „Testament“ überschrieben waren und seine Cousine als Alleinerbin benannten. Neben einem Vermächtnis und einer Benennung eines Ersatzerben wurden beide Testamente vom Erblasser mit Datum und Unterschrift versehen. Die zwei Exemplare wiesen dabei nur geringfügige Unterschiede bei der Untergliederung des Textes auf. In einem Exemplar waren die Wörter „meine Cousine“ als Einschub oberhalb der ersten Zeile eingefügt worden. Der Erblasser behielt ein Exemplar mit dem Einschub und ohne Gliederungsziffern in seinem Besitz, das weitere Exemplar erhielt die Cousine. Unstreitig war, dass die beim Erblasser verbliebene Verfügung durch dessen Betreuer zu Lebzeiten zerrissen wurde. Die gesetzlichen Erben waren daher der Ansicht, dass das Testament wirksam widerrufen sei, da es sich bei dem Exemplar, das der Cousine ausgehändigt wurde, lediglich um eine Abschrift gehandelt habe.
Das OLG war hingegen nach Auslegung aller Umstände der Ansicht, dass der Erblasser mit dem zweiten ausgehändigten Exemplar eine eigene formwirksame Verfügung von Todes wegen getroffen habe, die durch die Vernichtung des einen Testaments nicht wirksam widerrufen worden sei. Hierfür sprach nach Ansicht des Gerichtes, dass die der Cousine ausgehändigte Urkunde dem äußeren Anschein nach eher dem entsprach, was allgemein als „Schönschrift“ bezeichnet wird.
Hinweis: Nach der allgemeinen Lebenserfahrung hätte man laut Gericht zwar erwartet, dass der Erblasser die Reinschrift bei sich behalten würde und die weniger ordentlich geratene Version aus der Hand gibt, da diese nur eine Beweisfunktion habe, selbst aber keine rechtsgestaltende Wirkung. Ebenfalls hätte man erwartet, dass der Erblasser, hätte er nur eine Abschrift erstellen wollen, dies entsprechend vermerkt hätte. Die Vernichtung eines Originaltestaments schlägt dennoch nicht automatisch auch auf ein weiteres vorhandenes Originaltestament durch.
Thema: | Erbrecht |
Ein Erblasser kann sein Testament jederzeit widerrufen, beispielsweise durch die Vernichtung der Testamentsurkunde. Ob der Erblasser bei zwei existierenden Originalen beide Testamente vernichten muss, um so einen wirksamen Widerruf vorzunehmen, hatte das Oberlandesgericht Köln (OLG) im folgenden Erbscheinsverfahren zu erklären.
Die Erblasserin hatte zunächst ihren Urenkel und zu einem späteren Zeitpunkt ihre Haushälterin aufgrund eines handschriftlichen Testaments als alleinige Erben eingesetzt. Die Erblasserin verkaufte der Haushälterin zu Lebzeiten auch ihr Hausgrundstück. Als die Haushälterin auf der Grundlage von umfangreichen Vollmachten zudem einen Betrag von 50.000 EUR vom Konto der Erblasserin abhob, ließ sich die Erblasserin von einem Rechtsanwalt bezüglich der Rückabwicklung des Kaufvertrags mit der Haushälterin beraten. Im Rahmen dieses Beratungsgesprächs hat die Erblasserin vor den Augen des Rechtsanwalts ein Originaltestament zerrissen. Der Urenkel berief sich im Erbscheinsverfahren dann auch darauf, dass die Erblasserin ihre testamentarische Verfügung wirksam widerrufen habe. Vor dem Nachlassgericht konnte die Haushälterin hingegen ein Originaltestament vorlegen, das mit dem zerrissenen Testament identisch war.
Das OLG entschied letztlich, dass bei Vorhandensein von zwei Originaltestamenten die Vernichtung einer Urkunde dann ausreichend ist, wenn keine Zweifel darüber bestehen, dass der Erblasser eine Aufhebung seines letzten Willens vornehmen wollte. Und das sei hier nach Bewertung der Richter der Fall gewesen. Denn laut Aussage des beteiligten Anwalts, dem kein erkennbares persönliches Interesse am Ausgang des Streits zu unterstellen war, habe die Erblasserin zweifelsfrei bekundet, dass sie nicht an der Erbeinsetzung der Haushälterin – zu der sie keinen Kontakt mehr pflegte – festhalten wolle. Der Urenkel wurde somit wieder zum Alleinerben erklärt.
Hinweis: Hier spielte zum einen eine Rolle, dass die Erblasserin sich bezüglich der Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrags hat beraten lassen und in diesem Zusammenhang die Vernichtung der Urkunde erfolgt sei. Darüber hinaus sei angesichts des hohen Alters der Erblasserin von über 90 Jahren nicht auszuschließen, dass sie einfach vergessen hatte, dass noch ein zweites Original existierte.
Thema: | Erbrecht |